Dienstag, 15. Dezember 2015

Reisen mit Überschall: Hyperloop-Testanlage wird in Nevada gebaut

Reisen mit Überschall: Hyperloop-Testanlage wird in Nevada gebaut

Andreas von Rétyi

Ein kalifornisches Unternehmen blickt in die Zukunft. Die Entwürfe enthüllen ein futuristisches Konzept, ein superschnelles Transportsystem für Passagiere und Frachtgut, das bald in die Erprobungsphase gehen soll. Dazu will Hyperloop Technologies nun eine Teststrecke in North Las Vegas errichten. Hat das Projekt wirklich Erfolgschancen? Und wie sicher ist die Reise bei einem Tempo von über 1200 Stundenkilometern?

Neue Technologien haben es meist nicht leicht, sich durchzusetzen. Manche Ideen scheinen zu gewagt, zu radikal. Altbekannt sind jene Geschichten, dass sich nichts in den Himmel erheben
könne, das schwerer sei als Luft.

Und als die Eisenbahn erfunden wurde, befürchteten einige Zeitgenossen, die Reisenden müssten bei dem hohen Tempo ersticken. Was würden sie wohl angesichts gegenwärtiger Fortbewegungsmittel und vor allem mit Blick auf das neue Konzept von Hyperloop Technologiesdenken, das selbst nach modernen Maßstäben bemessen atemberaubende Ziele anstrebt?

Geplant ist ein System teilevakuierter Röhren, in denen abgeschlossene Kapseln sowohl Güter als auch Menschen mit Geschwindigkeiten von bis zu 1225 Kilometern pro Stunde transportieren sollen. Hyperloop will bewerkstelligen, bis zu 1500 Kilometer weite Strecken möglichst schnell und kostengünstig zurückzulegen – in kürzerer Zeit als mit dem Linienjet und gleichzeitig preiswerter als mit der Bahn.

Hinter dem Projekt, das unter anderem an Entwürfe aus Robert Heinleins Sciencefiction-RomanDouble Star erinnert, steht der südafrikanisch-amerikanische Erfinder, Investor und Unternehmer Elon Musk, bekannt für seine zukunftsträchtigen Vorstöße und Erfolgsfirmen wie Tesla Motors oderSpaceX.

Mit Hyperloop will er nun sozusagen wieder Musk-eln zeigen und eine effektive, kraftvolle Technologie ins Leben rufen, die schon bald die Welt verändern und Distanzen erneut weiter schrumpfen lassen soll.

Das über Solarzellen betriebene Hyperloop wird dem aktuellen Design zufolge bereits vorhandene Verkehrstrassen nutzen und aus zwei parallel gelagerten,stählernen Fahrröhren bestehen, in denen Unterdruck herrscht, um eine möglichst hohe Reisegeschwindigkeit zu erzielen.

Dünne Luftpolster sollen die Reibung ebenfalls wesentlich minimieren, um ein extrem hohes Tempo bis zu knapp jenseits der Schallgeschwindigkeit zu erreichen.

Wegen des vorhandenen Teilvakuums durchstoßen die beschleunigten Transportkapseln dabei nicht die Schallmauer. Diese Aluminiumkapseln sollen gegenwärtigen Angaben zufolge in der Lage sein, bis zu 28 Passagiere zu befördern oder beispielsweise auch Autos äußerst zügig von einem Ort zum anderen zu verfrachten.

Getragen von Stützpfeilern in jeweils 30 Metern Abstand sowie zusätzlich ausgestattet mit geeigneten Dämpferelementen, sei die Konstruktion auch erdbebensicher. Das Konzept ließe sich Musk zufolge durch seine oberirdische Führung entlang bestehender Autobahnen kostengünstiger gestalten.

So innovativ und futuristisch die Idee auch klingt, geht sie in ihren Grundlagen doch bereits auf das Jahr 1812 zurück. Damals sprach der britische Uhrmacher, Maschinenbauer und Erfinder George Medhurst von Vakuumröhren zum schnellen Transport. Medhurst ließ hierzu auch seine »Aeolian« patentieren, eine Maschine, die komprimierte Luft zum Antrieb von Fahrzeugen nutzte.

Seine Ideen waren ihrer Zeit deutlich voraus und nehmen nun in moderner Form bei Hyperloopwieder Gestalt an. Selbst wenn ähnliche Gedanken zwischenzeitlich immer wieder verfolgt wurden, kam es nie zur Realisierung. Das also soll nun anders werden, mittels Sonnenenergie und Magnetkräften.

Bei alledem sei Musk allerdings nicht direkt involviert, sondern unterstütze lediglich den Wettbewerb zur Entwicklung eines Hyperloop-Prototypen, so betonte Anfang Dezember die für das Projekt zuständige Sprecherin Meredith Kendall.

R. John Hansman Jr., Professor für Aeronautik und Astronautik am Massachusetts Institute of Technology, ist von der grundsätzlichen Machbarkeit überzeugt: »Die Physik funktioniert«, so stellt er fest. Allerdings hebt er auch die damit verbundenen Probleme hervor.

Zwar stehe die Realisierbarkeit an sich außer Diskussion, doch vergleicht Hansman die Idee mit dem Vorhaben, einen Menschen zum Mond zu bringen. Will sagen: Die finanziellen Herausforderungen hinsichtlich Konstruktion, Ingenieursaufwand und Größenordnung des Projekts sind signifikant.

Und so stellt er fest: »Die tatsächliche Frage ist: Können Sie alles bis zu einem Punkt führen, ab dem es von den Kosten her wettbewerbsfähig gegenüber anderen Transportmitteln ist? Das ist die große Unbekannte.«

Ihm pflichtet auch James E. Moore II, Chef eines Programms für die Konstruktion von Transportsystemen an der Universität von Südkalifornien, vollkommen bei. »Es geht gar nicht darum, ob sich das technisch umsetzen lässt«, so konstatiert er.

»Aber kann es technisch auf eine Weise gemacht werden, die es im Vergleich zu anderen Optionen auch attraktiv werden lässt?« Außerdem seien erst noch zahlreiche Fragen zum System, zu dessen Komfort und Sicherheit zu klären.

Vorschläge zu geeigneten magnetischen Levitations-Systemen seien noch nicht entwickelt, um damit die Lücke zu schließen zwischen dem Luftverkehr und den üblichen automobilen Routen, wie sie die nördlichen und südlichen Städte Kaliforniens verbinden.

Musk und das in Los Angeles ansässige Unternehmen Hyperloop Technologies wollen erreichen, eine 600 Kilometer lange Route – die Strecke zwischen Los Angeles und San Francisco –innerhalb von nur 35 Minuten preisgünstig zu bewältigen. Für ein funktionierendes System veranschlagt Musk rund sechs Milliarden Dollar, während andere Schätzungen weit höhere Kosten nennen.

Jetzt geht es zunächst um die Einrichtung einer Teststrecke. Als Lokalität auserkoren wurde ein Areal des Mountain View Industrial Park in North Las Vegas. Aktuell beginnt dort jetzt die Installation einer Bahn von einem Kilometer Länge, auf der das Konzept schon bald in der Praxis erprobt werden soll.

Außerdem kümmere sich Hyperloop Technologies bereits um eine zweite, rund drei Kilometer lange Strecke, um die Tests ausweiten zu können.

Bis zum Jahr 2020 soll dann laut Zielvorgabe ein kommerziell umsetzbares, voll einsatzfähiges Transportsystem realisiert sein. John Jay Lee, Bürgermeister von North Las Vegas, freut sich über die Wahl des Teststandorts und bezeichnet ihn als enorme Entwicklung für die Stadt und die gesamte Region, die von der Rezession beinahe ins Verderben gerissen wurde.

Er hofft nun, dass sich künftig auch andere zukunftsweisende Unternehmen wie der Automobilhersteller Faraday Future in der Region ansiedeln und die Wirtschaft wieder ankurbeln.

Andererseits verstummen die Kritiker nicht, die ökonomische Bedenken äußern und auch nicht zu unterschätzende Gefahren für den Personentransport monieren. Professor Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin registriert ebenfalls grundsätzliche Probleme an jenem ehrgeizigen Projekt.

In einer beinahe völlig leeren Röhre sei rein physikalisch kaum mit der Abwärme fertigzuwerden, Rettungsmaßnahmen für Passagiere seien im Notfall extrem schwierig umzusetzen. Auch anderefachkundige Stimmen warnen vor gefährlichen Schwachstellen, die sich nicht leicht beseitigen ließen.

Allein ein zwei Kilometer langer Bremsweg bei 1200 Stundenkilometern Reisetempo sei mit erheblichen Problemen behaftet, auch eher banal scheinende Details gelten als heikel, nicht zuletzt die Unterbringung von Toiletten.

Und immer wieder werden die Kosten angeführt – Fachleute betrachten die gegenwärtige Einschätzung als unrealistisch niedrig. So bleibt abzuwarten, was aus dem nicht uninteressanten Hyperloop-Projekt wird.


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